Februar 2020
Luxus & Nachhaltigkeit. Geht das zusammen oder ist es ein Widerspruch in sich?
Ein Interview mit dem Von-Magazin, das auch heute noch seine Gültigkeit hat.
Dezember 2018
VM: Was bedeutet das überstrapazierte Wort »Nachhaltigkeit« eigentlich?
SP: Das Konzept der Nachhaltigkeit wurzelt im 18. Jahrhunderts. Man hat damals schon erkannt, dass man dem Wald nur soviel Holz entnehmen darf, wie nachwachsen kann, damit die Ressourcen nicht ausgehen. Eine jüngere Definition ist die der UNO aus den 1980er-Jahren: »Nachhaltige Entwicklung ist eine Entwicklung, die die Bedürfnisse der Gegenwart befriedigt, ohne zu riskieren, dass künftige Generationen ihre eigenen Bedürfnisse nicht befriedigen können.« Das scheint alles sehr logisch. Besonders, wenn wir an unsere Kinder denken. Ihnen müssen wir eine lebenswerte Welt übergeben. Handeln tun wir aber nicht danach.
VM: Seit wann beschäftigen Sie sich schon mit dem Thema?
SP: Seit 20 Jahren. Meine neugeborene Tochter hatte damals einen wilden Ausschlag von den gespritzten Erdbeeren, die ich gegessen hatte. Das muss man sich einmal vorstellen. Einen zweiten bekam sie von den Markenwindeln, weshalb ich auf Bioessen, Biowindeln und natürliche Pflegeprodukte umgestellt habe. Damals gab es das schon alles, war aber noch sündhaft teuer. Beruflich war 2013 der Wunsch eines Kunden nach einem Green Event - einer nachhaltigen Veranstaltung - der Anlass, tiefer in die unternehmerische Nachhaltigkeit oder anders ausgedrückt "unternehmerische gesellschaftliche Verantwortung" einzutauchen. Seither bilde ich mich diesbezüglich fort, im Herbst beginne ich mit dem Masterlehrgang Sustainability & Responsible Management. Dann reicht's aber mit der Lernerei!
VM: Um auf unsere große Frage zu kommen: Darf man sich heute noch Luxus leisten und geht dies auch nachhaltig?
SP: Die Frage ist, was Luxus in unserer Zeit generell bedeutet. Ist es die Louis-Vuitton-Tasche, die ich in jeder mondänen Einkaufsstraße der Welt mit dem entsprechenden Kleingeld erwerben kann oder ist wahrer Luxus etwas ganz anders? Möglicherweise ist es die individuell gefertigte Tasche einer kleinen Wiener Manufaktur, wo die gesamte Wertschöpfung in der Region stattfindet und das Material aus einer umweltbewussten Gerberei stammt. Wo ich in die Werkstatt gehen kann, mich die Designerin persönlich berät und ich das gute Stück gegebenenfalls reparieren lassen kann. Das ist ja heute unbezahlbar geworden. Das wäre eine nachhaltige und höchst exklusive Tasche. Mit dem Zusatznutzen, dass mir in Mailand niemand mit demselben Stück entgegenkommt.
Grundsätzlich schließt das eine das andere nicht aus. Ich muss nur genauer hinsehen. Wir treffen mit jedem Kauf, jeder Reise und Investition eine Entscheidung und unterstützen damit immer ein System. Das kann ein gutes oder ein schlechtes sein. Vor nicht langer Zeit waren gerade H&M, Zara und Marks & Spencer in den Medien, weil sie mit ihren Viskose-Fabriken in Asien massiv die Umwelt belasten und ihre Leute dort vergiften. Wenn ich das negiere und weiterhin dort einkaufe, heiße ich dieses System gut und fördere es. Wenn ich das Unternehmen aber boykottiere und auf den Social-Media-Kanälen konfrontiere, dann helfe ich mit, die Welt besser zu machen. Ein Shitstorm kann unendlich kraftvoll sein.
Und das gilt in allen Bereichen. Mein großes Thema ist ja der Wein. Nehmen wir einen konventionell produzierten australischen Syrah um 3,90 Euro und einen biologischen Blaufränkisch aus dem Burgenland um 15 Euro. Der eine ist um den halben Globus gereist, der andere keine 70 Kilometer. Welcher ist nachhaltiger und zusätzlich wahrscheinlich um Klassen besser? Man muss nur einen Moment nachdenken, dann sollte alles klar sein.
Und das lässt sich auf alles umlegen, bis hin zum Schmuck. Ich kann jederzeit meinen Juwelier fragen, ob er mit zertifiziertem Gold arbeitet, weil nur damit garantiert wird, dass die Arbeiter in den Minen ordentlich behandelt werden. Wenn sich seine Kundschaft dafür interessiert, hängt irgendwann seine unternehmerische Zukunft davon ab. Wir Konsumentinnen und Konsumenten haben unglaublich viel Macht und es macht großen Spaß, sie für die richtigen Dinge einzusetzen.
VM: Wenn ich es richtig verstehe, umfasst Nachhaltigkeit im Grunde genommen so gut wie jeden Bereich unseres modernen Lebens?
SP: Ganz genau. Ernährung ist natürlich ein Riesenthema, aber auch die Veranlagung von Geld. Bauen und wohnen und unsere Art des Reisens. Diesel, Benziner, Elektro-Auto oder tut's der alte Audi in Wahrheit noch eine Weile? Muss es das neue iPhone sein oder geht mir dieses gesamte System der ewigen Updaterei nicht eh schon unendlich auf die Nerven? Das sind die Entscheidungen, die ich tagtäglich treffe.
Aber ganz wichtig: Nicht alles ist immer und für jeden machbar, da würde man ja wahnsinnig. Einfach in irgendeinem Bereich anfangen, sich Gedanken zu machen und entsprechend zu handeln. Das wäre ein super Start. Luxus bedeutet vor allem auch, das Leben zu genießen.