Jänner 2025
WHO. Beim Wein gibt es keine unbedenkliche Menge. 4. Jänner 2023.
ARD-Dreiteiler. Dirty Little Secrets. Warum wir immer weiter trinken. Jänner 2025.
Carter, Felicity. How Neo-Prohibitionists Came to Shape Alcohol Policy. WineBusiness Monthly. 25. März 2024
Zurzeit herrscht Dry January. Immer mehr Menschen machen mit und trinken im ersten Monat des Jahres keinen Alkohol. Das ist gerade nach Tagen oder Wochen des vorweihnachtlichen und weihnachtlichen Schlemmens und Trinkens durchaus sinnvoll für die Gesundheit. Auf ein letztes Aufbäumen zu Silvester folgt die Askese – und das ist auch gut so. Seit zwei Jahren jedoch setzen sich zunehmend Lobbys für ein Leben gänzlich ohne Alkohol ein, da auch moderater Konsum schädlich sei. Ist es jetzt vorbei mit dem Spaß an der Freude?
Vor genau zwei Jahren sorgte die Weltgesundheitsorganisation (WHO) für Aufsehen, als sie erklärte, dass es kein „sicheres Maß“ für Alkoholkonsum gebe. Sie verweist dabei auf wissenschaftliche Erkenntnisse aus einer Metastudie, die 107 Kohortenstudien* mit insgesamt über 4,8 Millionen Teilnehmern umfasst. Bis zu diesem Zeitpunkt galt weltweit der Konsens, dass der tägliche Konsum von einem Glas Wein für Frauen und zwei Gläsern für Männer gesundheitlich unbedenklich sei. Im WHO-Bericht steht nun, dass Alkohol als Karzinogen der Gruppe 1 eingestuft wird, gemeinsam mit Asbest, Strahlung und Tabak, und für mindestens sieben Krebsarten verantwortlich sei. Die Daten weisen darauf hin, dass bereits leichter bis moderater Alkoholkonsum – weniger als 1,5 Liter Wein oder 3,5 Liter Bier pro Woche – das Krebsrisiko erheblich steigere. Was ja eigentlich gar nicht so wenig ist. … Allerdings heißt es auch:
„Die Risiken beginnen mit dem ersten Tropfen.“ Die WHO und eine Gruppe strenger Alkoholgegner:innen im Europaparlament fordern daher unter anderem abschreckende Hinweise auf Flaschen alkoholischer Getränke, ähnlich wie bei Zigarettenpackungen. Diese Gruppe plädiert sogar für ein vollständiges Verbot von Alkohol in der EU, wie im ARD-Dreiteiler Dirty Little Secrets gezeigt wird. Und nicht nur das, es soll zudem Produzenten alkoholischer Getränke jegliches Sportsponsoring und Marketing untersagt werden. Entsprechende Gesetzentwürfe kamen nur durch das Lobbying der Produzenten nicht durch, die im Übrigen ihrerseits auch Einfluss auf Studien genommen haben sollen. Wie etwa auf die der berühmten J-Kurve. Diese besagt, dass der Zusammenhang zwischen Alkoholkonsum und bestimmten gesundheitlichen Risiken wie Herz-Kreislauf-Erkrankungen oft eine J-förmige Kurve aufweist: Erst nehmen die Risiken bei moderatem Konsum leicht ab, bis sie bei stärkerem Konsum stark ansteigen. Mit anderen Worten, moderater Alkoholkonsum ist der Gesundheit zuträglich. Dies dürfte mittlerweile widerlegt sein. Oder auch nicht, weil auch diese Ergebnisse beeinflusst wurden? Möglicherweise werden wir's nie erfahren.
Alles nur gekauft? Es gibt zunehmend Stimmen, die auch die WHO-Erklärung und die ihr zugrundeliegenden Ergebnisse der Metastudie hinterfragen. In einem Artikel der WineBusiness Monthly heißt es etwa, dass die amerikanische Antialkohollobby und die Abstinenzbewegung Movendi starken Einfluss auf die Alkoholpolitik ausübt und die Studienergebnisse beeinflusst haben könnten.
Was also stimmt und was bedeutet das für uns? Wir wissen es nicht genau. Was wir jedoch wissen: Moderater Alkoholkonsum kann gesundheitsschädlich sein. Starker Alkoholkonsum ist gesundheitsschädlich. Die Grenzen sind jedoch verschwommen und hängen stark von persönlichem Lebensstil und Prädisposition ab.
Was also tun? Weiter genießen! Es obliegt jedem und jeder Einzelnen, sich mit diesem Thema auseinanderzusetzen und verantwortungsbewusst damit umzugehen. Was tut mir gut, was tut mir nicht gut? Wieviel trinke ich? Komme ich aus einer Familie mit problematischen Umgang mit Alkohol und muss deshalb noch sorgsamer damit umgehen? …
Wein bereichert unser Leben – und Freude am Leben fördert Gesundheit und verlängert es. Das zumindest dürfte bewiesen sein. Der Genuss von Wein hat Tradition, Wein ist Kulturgut. Wein beflügelt unsere Gedanken, stärkt Beziehungen und sorgt für unvergessliche Momente. Ein Schluck kalten Weißweins oder Champagners kann die Welt wieder ins Lot bringen und hilft uns, das Leben in vollen Zügen zu genießen. Wein ergänzt feine Speisen, lässt sie in neuem Glanz erstrahlen und hebt ihre Aromen hervor.
Das Leben wäre ohne die genussvollen Momente, die ein Glas Wein schenkt, um vieles ärmer. Ob allein genossen oder in Gesellschaft von Freund:innen und Familie – in Maßen oder manchmal über die Stränge schlagend, wie wir es auch mit anderen Genüssen wie Zucker tun. Und ja, ein paar alkoholfreie Tage die Woche, ein Dry January oder ein Sober October tun gut. Es soll uns bloß nicht von außen diktiert werden.
Auf ein langes gesundes Leben voller Genuss! 🥂
* Kohorte: Gruppe von Menschen, die über einen bestimmten Zeitraum hinweg beobachtet oder untersucht wird. In der Regel teilen die Mitglieder der Kohorte eine oder mehrere gemeinsame Eigenschaften, wie z. B. Alter, Geschlecht, berufliche Tätigkeit oder Gesundheitsstatus.
EIGENSCHAFTEN EINER KOHORTENSTUDIE
Gemeinsamer Ausgangspunkt: Die Mitglieder der Kohorte werden ab einem bestimmten Zeitpunkt beobachtet.
Langfristige Beobachtung: Über Jahre oder sogar Jahrzehnte werden Daten zu bestimmten Merkmalen, Risikofaktoren oder Gesundheitszuständen gesammelt.
Ziel: Kohortenstudien dienen dazu, Zusammenhänge zwischen bestimmten Faktoren (z. B. Lebensstil, Umwelt) und dem Auftreten von Krankheiten oder anderen Ereignissen zu untersuchen.