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Plädoyer für die Halbflasche


Flaschen tragen bis zu 49 Prozent zum ökologischen Fußabdruck eines Weins bei. Mit leichteren Flaschen kann man diesbezüglich viel zum Guten bewegen, mit kleineren Gebinden noch viel mehr. Und auch aus anderer Warte betrachet, sind Halbflaschen für manche Situation die richtige Entscheidung.

Jänner 2021

Halbflaschen mit einem Fassungsvermögen von 0,375 Litern haben Vor- und Nachteile. Aus ökologischer Sicht überwiegen je nach Verwendung (Musterflaschen, Online-Tastings, …) die Vorteile. Und manches spricht dagegen, wie es halt so ist im Leben. Zu Wort kommt auch ein Winzer, der seit vielen Jahren einen Teil seines Sortiments in Halbflaschen abfüllt: Fritz Wieninger. Eine Umfrage in der Facebookgruppe »Hauptsache Wein« bestätigt den Trend.

Jancis Robinson MW plädiert schon seit vielen Jahren aus Umweltgründen für leichtere Glasflaschen oder Glasersatz. Im Rahmen der Sustainable Wine Conference im November 2020 wies sie erneut darauf hin, dass durch die Welt geschipperte 0,75-l-Weinflaschen eine Riesenverschwendung seien. Abgesehen von den CO2-Emissionen werden für Verkostungszwecke (Presse, Handel, Gastrononomie) nur minimale Mengen an Wein benötigt, der Rest wird weggeschüttet. Wie schade um die guten Tropfen! Sie bittet darum, nur noch Kleinflaschen - 0,125 l oder maximal 0,375 l - für Kostzwecke zu versenden.

Online-Tastings & -Schulungen. Romana Echensperger MW und auch die Präsidentin der Sommelier Union Austria Annemarie Foidl schließen sich Jancis an. Speziell in diesen neuen Zeiten, in denen die Verkoster*innen alleine vor dem Bildschirm sitzen, seien Kleinformate die richtige Wahl. Annemarie gibt für die Sommelier-Schulungen überhaupt dem Stifterl (0,125 l) den Vorzug und bittet die Winzer*innen, die Weine vor dem Versand umzufüllen. Nicht nur auf Kleinflaschen verweist James Lawrence in seinem Artikel »The rise of new wine formats« im Wine Business International. »Wine in a tube«, also in Röhrchen aus Glas, Plastik oder auch Verbundstoffen im 6er-Pack seien eine tolle Sache. Leistbar, einfaches Handling und leichtgewichtig im Versand. Ein Lichtblick etwa für die Airlines. Es gibt in der Zwischenzeit andere gute Alternativen zu Glas, sei's Bag in Box oder flache eckige Flaschen aus recyceltem PET (verbrauchen weniger Verpackungsvolumina), Flaschen aus kompostierbarem Material, … Überlegenswert auf alle Fälle für den günstigen Bereich.

Handel & Gastronomie. In dieselbe Kerbe schlägt der Handel. In ihrem Vortrag im Rahmen des Weinmarketingtags plädieren Benjamin Mayr von Del Fabro und Döllerermann Alexander Koblinger MS für Kleinformate. Es fänden sich mehr Weininteressierte, wenn durch Kleinflaschen die Weinproben plötzlich erschwinglich sind. Zudem seien Kleinflaschen auch für den Konsum daheim oder im Restaurent einfach eine gute Wahl. Speziell im Weinhaus Döllerer setzt man schon seit sehr vielen Jahren auf Halbflaschen, bereits Seniorchef Hermann Döllerer hatte dafür ein Faible. Wer heute in den Döllerer-Shop schaut, findet über 150 Positionen mit Halbflaschen vor. Alexander meinte am Telefon: »Halbflaschen sind eine große Sache! Sie verkaufen sich super, manche Gastronomen kaufen sie seit viele Jahren, und der Trend geht nach oben.« Ja, logisch. Wenn man immer schon einmal einen La Tâche trinken wollte, rückt er in der Halbflasche in erschwinglichere Nähe.

Romana verkaufte in ihren Zeit in der Gastronomie gerne und häufig Halbflaschen. »Das ging immer gut bei exklusiven Weine. Die Gäste konnten, auch wenn sie nur zu zweit waren, zwei drei verschiedene Weine zum Menü essen und waren fit, wenn sie bei der Tür rausgingen. Bei einfachen Weinen bringt's nicht viel, dafür gibt es ja die glasweise Ausschank.« Eine Konkurrenz für die Halbflaschen sieht sie im Coravin. Aber auch hier geht's ums Gefühl, ein kleines eigenes Flascherl am Tisch stehen zu haben, ist einfach schön. Starsommelier und Gastronom Gerhard Retter meinte in unten erwähnter Facebook-Diskussion: »Gerade im hochwertigen Segment eine fantastische Möglichkeit die Weine zu verkosten … halbe Flaschen geben immer auch eine Vorschau auf die Entwicklung des Weines in der Normalflasche!«

Aus Winzersicht. Fritz Wieninger verkauft immer schon Wein in der Halbflasche und im Stifterl. Dies gilt nicht nur für die Auswahl am Bild, speziell das mittlere und exklusive Segment bietet er in der Halbflasche an, das Stifterl ist die perfekte Werbeplattform in der Hotel-Minibar oder im Flieger.  »Weine in Demibouteille zu füllen, war für mich von Anfang an ein wichtiges Thema, da ich selbst bei Restaurantbesuchen oft zu höheren Qualitäten in Demiflaschen greife. Es ist verständlich, daß man hochwertige Weine nicht immer glasweise anbieten kann, aber mit einer Demi kann man leicht auch zu zweit ein oder zwei Gänge begleiten und dann zum nächsten Wein wechseln.«

Konsumenten & Weinprofis. Ende November führte ich eine kleine Umfrage in zwei Facebook-Gruppe durch. Bei den Profis auf »Hauptsache Wein« und in der Frauengruppe »Wiener Wunderweiber«. Und auch hier zeigt sich klar, die Demi ist auf der Siegerstraße. Bei den Profis sprachen sich 316 (74 %) Teilnehmende dafür aus, Halbflaschen in Restaurants oder Online-Shops zu kaufen, 109 dagegen. Also mehr als zwei Drittel würden bei entsprechendem Angebot zu Halbflaschen greifen. Bei den Wunderweibern haben 88 Frauen geantwortet, 71 (80 %) haben sich für Halbflaschen ausgesprochen, 16 dagegegen. Auch die Diskussion auf Hauptsache Wein ist lesenswert.

Gegenargumente. Ja, was spricht dagegen? Nun, erstens die Haltbarkeit. Es heißt ja, dass Weine in kleineren Flaschen rascher altern als in großen. Wenn man die Diskussion auf Facebook liest, dürfte dies jedoch nicht in Stein gemeißelt sein und auch von anderen Faktoren abhängen. Dann zweitens das etwas mühseligere Handling. Das dürfte sich laut Fritz Wieninger aber in Grenzen halten. Und drittens der verhältnismäßig höhere Preis der Flaschen und Korken. Nun, der liegt laut Fritz bei 0,50 bis 1 Euro und lässt sich ganz transparent einkalkulieren. Und das wäre es dann schon auch gewesen, wäre da nicht die Nachhaltigkeit: Zu Recht haben sich einige Winzer zu Wort gemeldet, dass die CO2-Emissionen bei Kleinflaschen aus Glas im Vergleich noch höher sind als bei Normalflaschen, dies bedingt sich aus dem Verhältnis von Behälter zu Inhalt. Auch das Verhältnis Kork, Kapsel und Etikett ist ein schlechteres. Zahlen gibt es allerdings auch auf Nachfrage bei Flaschenproduzenten keine. Die leichteste 0,375-l-Flasche wiegt laut unserer Recherche 280 g, am CO2-Ausstoß für die Produktion bleiben wir dran. Insoferne wird der Ruf nach Halbflaschen erweitert um den Ruf nach Halbflaschen aus alternativen Materialien.

Ich freu mich auf jeden Fall, wenn's in den Restaurants künftig eine größere Auswahl an Halbflaschen gibt und auch in den Online-Shops. So ein kleines Flascherl ist auch zu zwei ein Genuss und die Leber dankt's. Und sollte hier das eine oder andere Corpus delicti eintrudeln, freut's mich natürlich ganz besonders 😊.

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