In diesem fünften Sommelier Spotlight spreche ich mit der Advanced Sommelière Katja Scharnagl in New York, eine der internationalen Aushängeschilder der österreichischen Sommelierszene. Katja ist auch meine Partnerin für unsere Online-Tastings im Raum New York. Als angehende Master Sommelière verkostet sie die Weine unserer Winzer gemeinsam mit ihrer Study Group.
STEPHANIE ARTNER
Februar 2022
Foto: Katja Scharnagl
Katja, erzähl uns über deine Tätigkeit als Chef-Sommelière im Le Bernardin New York, wie sah ein typischer Tag für dich aus?
Katja: Wenn ich Lunchservice gearbeitet habe, begann mein typischer Tag um 9 Uhr. Zuerst gab es immer viel Büroarbeit mit E-Mails von Händlern, Gästen und der Eventabteilung, die Weinempfehlungen benötigte. Ich kümmerte mich auch um die Weinkarte, Analyse von Angeboten, Erstellung von Preisen, hatte Termine in der Finanzabteilung wegen Budgets, gab Weinbestellungen auf und pflegte neue Weine in unser Inventursystem „Binwise“ ein. Falls sich ein Gang im Menü änderte, traf ich mich auch mit dem Executive Chef, um eine neue Weinbegleitung zu besprechen. Um 10 Uhr ging ich dann ins Restaurant, um die Weinregale für den Service fertig zu machen und auch Verkostungen mit Händlern und Produzenten wahrzunehmen. Um 11:45 Uhr begann für mich der Mittagsservice im Restaurant.
Nach dem Mittagsservice konnte ich einer meiner Lieblingsarbeiten im Weinkeller nachgehen. Ich packte neue Weine aus, sortierte sie ein, ergänzte sie in unserem Inventursystem und gab neue Bestellungen in Auftrag. Und natürlich gab es immer noch genug Büroarbeit zu bewältigen, denn die E-Mails hörten nie auf.
Um 16 Uhr gab es dann die Mittagspause und weitere Besprechungen mit dem Chef bei Menüänderungen. Um 17 Uhr war ich zurück im Restaurant für den Abendservice. Nach dem Abendservice warf ich noch einen Blick ins Büro, um E-Mails zu beantworten und notwendige Bestellungen für den nächsten Tag aufzugeben. Am Heimweg war ich meistens um Mitternacht. Wenn ich keinen Mittagservice hatte, begann mein Tag um 13 Uhr mit den bereits erwähnten Büroarbeiten. Zusätzlich zu dieser regulären Arbeit gab es die monatliche Inventur und regelmäßige Team-Meetings. Langweilig war es nie!
In den letzten zwei Jahren gab es viele Herausforderungen in der Hospitality Industrie, aber auch den Ruf nach Änderungen z.B. mehr Diversity am Arbeitsplatz, mehr Schutz für Frauen am Arbeitsplatz und in der Ausbildung etc. Wie hast du diesen Ruf wahrgenommen und hat er dich in irgendwelcher Weise geprägt oder beeinflusst?
Katja: Zum Glück ändert sich schön langsam etwas und die Weinindustrie bewegt sich weg vom überheblich und elitären „all white boys club“. Wein soll Spaß machen! Das Court of Master Sommeliers (CMS) hat nach dem Skandal, der durch die New York Times aufgedeckt wurde, viel in der Organisation geändert. Ich bin mir nicht sicher, ob es genug sein wird, aber sie sind am guten Weg. Im Le Bernardin hatten wir immer ein sehr diverses Team, zu einem Zeitpunkt auch mit nur Frauen, und von allen ethnischen Hintergründen. Betriebe müssen sich aber auf jeden Fall etwas überlegen, vor allem da es seit der Pandemie einen ernstzunehmenden Personalmangel gibt. Viele haben ihren Job und damit auch ihre Krankenversicherung verloren, dies hat viele angeregt, den Beruf komplett zu wechseln. Meiner Meinung nach muss die Restaurantindustrie mehr auf ihre Mitarbeiter eingehen, flexiblere Arbeitszeiten, mehr Fixlöhne und Krankenversicherung anbieten. Die Arbeit wird nicht weniger werden, aber die Betriebe müssen auf jeden Fall mehr in ihr Personal investieren, vor allem wenn sie die guten Leute länger halten möchten.
Welchen Rat würdest du jungen, ambitionierten Frauen in der Hospitality Industry geben, die den Weg als Sommelière einschlagen möchten?
Katja: Eine Leidenschaft zum Lernen und keine Scheu von körperlicher Arbeit sind ein Muss. Mein Rat ist, neugierig zu bleiben, zu lernen, Inventur zu machen, um den Weinkeller besser kennen zu lernen, auf Verkostungen zu gehen aber auch um Hilfe zu bitten, wenn eine Weinlieferung mal zu groß ist. Professionalität und Gastfreundlichkeit sind das höchste Gebot.
Wie hast du den Austrian Wine Boom in New York und den restlichen USA in den letzten 10 Jahren wahrgenommen? Was hat sich positiv geändert? Was können deiner Meinung nach Winzer:innen, Importeure und Konsumenten noch tun, um den österreichischen Erfolg weiter anzukurbeln?
Katja: Der österreichische Wein hat einen sehr hohen Stellenwert bei allen Sommeliers. Die Verkostungen sind immer gut besucht, da die Themen relevant und die Veranstaltungen immer top organisiert sind. Dies wird in einer Stadt wie New York, wo es täglich dutzende Veranstaltungen gibt, sehr geschätzt. Österreichische Weine sind auch ein fixer Bestandteil bei Blindverkostungen mit Kollegen.
Viele Gäste haben schon vom “Grooner” gehört und/oder probiert. Wir sind in diesem Sweet Spot, wo wir als Nischenprodukt eine super Qualität zu einem guten Preis-Leistungsverhältnis haben. Meiner Meinung nach wäre es wichtig, dass sich Produzenten mehr auf „unsere“ Rebsorten im Export konzentrieren, um sich so weiter von der breiten Masse abzuheben. Qualitätsprodukte und auch die Kategorie Bio haben ihren Preis und so sollten wir auf keinen Fall in die Billigschiene abwandern. Diese Wahrnehmung ist auch für den Konsumenten wichtig, vor allem, weil viele unsere Weine erst entdecken.
Jede Weinregion in Österreich ist ein Besuch wert, da es so viele grossartige Betriebe gibt. Hier ein kleiner Auszug von unserer Tour de Vin mit unserer 5-Monate alten Tochter, die Weingüter aber vor allem Riesling liebt :)
• Burgenland: Nittnaus, Prieler, Franz Weninger, Kracher
• Steiermark: Gross, Tement, Christoph Neumeister, Stefan Schauer
• Wachau: Grabenwerkstatt, von der Vogelwaide, Peter Veyder Malberg, Martin Muthentaler, Martin Mittelbach, Josef Fischer, Wolfgang Supperer, Johann Donabaum
• Kamptal: Hirsch
• Wien: Alexander Zahel
Vielen Dank Katja für das aufschlussreiche Interview. Als Nächstes im Sommelier Spotlight steht Beatrice Bessi, Head Sommelier, The Chiltern House, London.