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Der Wert von Boden


In der Wesentlichkeitsanalyse im Rahmen einer Nachhaltigkeitsstrategie für Weingüter steht der Boden an oberster Stelle. Eine Tatsache, die in gängigen Zertifizierungen viel zuwenig berücksichtigt wird.

August 2020
Foto © Michaela Stark

Geht es um die gesellschaftliche Verantwortung von Unternehmen, ist diese eine Frage fundamental: Was ist wesentlich für das Gedeihen meines Unternehmens und in welchem Bereich hat dieses die größten Auswirkungen auf Gesellschaft, Natur und Stakeholder? Bei Weingütern ist dies vorrangig der Boden. Aus diesem Grund muss ihm das größte Augenmerk gelten, wenn es um Nachhaltigkeits-Strategien und -Zertifizierungen geht.

Der direkte Auslöser für die (erneute) Auseinandersetzung mit dem Thema »Nachhaltigkeitszertifizierung« war eine Diskussion in den Social Media und dem Vorwurf des greenwashing gegenüber überregionalen Siegeln, weil so gut wie alle Herbizide und Insektizide erlauben. Wie etwa in Österreich, Kalifornien, Neuseeland, Alentejo oder Neuseeland. (Erst kürzlich sind zu diesem Themenbereich der Artikel »Sustainable Wine? Or Just Greanwashing?« vom WineSearcher oder die Zusammenfassung eines Porto-Protocol-Climate-Talk »How do organics and biodynamics affect a vineyard's carbon footprint?« im Decanter erschienen.)

Von Seiten der Nachhaltigkeits-Siegel wird argumentiert, dass die Art des Weinbaus - konventionell, biologisch oder biodynamisch - nur ein Spektrum der Abbildung sei. Denn es werde nicht der Wein zertifiziert, sondern das Weingut. Das ist auch richtig so. Nach wie vor wird nicht wirklich verstanden, dass Nachhaltigkeit und biologischer Weinbau keine Gegenmodelle sind, sondern der Weinbau Teil der Nachhaltigkeits-Säule Ökologie ist. Die beiden anderen Säulen heißen Gesellschaft und Ökonomie. Missachtet wird meines Erachtens nach im Diskurs allerdings der hohe Stellenwert des Bodens.

Was ist wesentlich? In den internationalen und branchenunabhängigen Nachhaltigkeitsstandards (ISO 26000, SDGs) und in den anerkannten Nachhaltigkeitsberichterstattungen (z.B. GRI) startet man mit einer WESENTLICHKEITSANALYSE: Was ist für mein Unternehmen und seinen Geschäftszweck wesentlich und wo liegt mein Einflussbereich auf Lieferkette, Stakeholder, Gesellschaft, …? Diese wichtigen Faktoren muss ich in meiner Nachhaltigkeitsstrategie besonders beachten, negative Auswirkungen vermeiden und positive verstärken.

In der Wesentlichkeitsanalyse des Weinbaus liegt der Boden an erster Stelle. Geht er kaputt, ruiniere ich mein eigenes Geschäft. Geht er kaputt, schade ich auch Umwelt und Gesellschaft. Denn nur ein gesunder Boden kann CO2e aufnehmen, ausgelaugter Boden hingegen emittiert CO2e. Je fertiler ein Boden ist und je größer seine Biodiversität, um so mehr CO2e kann er absorbieren.

Langzeitstudie. Sehen Sie hierzu auch die dieser Tage veröffentlichte Langzeitstudie des FiBL: »Klimawirkung der biologischen Bodenbewirtschaftung.« In ihr wird das Potenzial des Biolandbaus zur Minderung des Klimawandels aufgezeigt und dass der als CO2e-Senke fungierende Humus durch biodynamische Landwirtschaft noch besser aufgebaut wird als durch biologische. Dass Bodenfertilität inzwischen wesentlich ist für die Bewertung von Boden durch die Finanzwelt - True Cost Accounting -, kommt noch hinzu. Tobias Bandel von Soil & More ist einer der großen Experten für diesen Bereich. Umso mehr also muss Weingütern an der Gesundung ihres Bodens gelegen sein.

Conclusio. Der Folgeschluss ist der, dass der Stellenwert des Bodens in den relevanten Nachhaltigkeits-Zertifizierungen angehoben und biologische Bewirtschaftung ein unumgängliches Kriterium und Ziel sein muss. Wohlgemerkt mit einer Umstellungszeit von drei Jahren, damit möglichst viele nicht-biozertifizierte Betriebe teilnehmen und der Wandel zu wahrhaft nachhaltigem Weinbau möglichst breit und rasch vollzogen werden kann. Das ist das Eine.

Paris Agreement. Das Andere ist das, dass die Welt bis 2030 40 % aller Treibhausgase einsparen muss, um die Pariser Klimaziele zu erreichen. Das gilt für jedes Unternehmen und somit für jedes Weingut, aber auch für jeden/jede Einzelne/n von uns. Die erwähnten Zertifizierunge setzen zur Zeit jedoch keine Ziele (das österreichische Siegel »Nachhaltig Austria« ist diesbezüglich in Änderung begriffen) und bilden keine Kennzahlen zu CO2, Energie, Boden-CO2 etc. ab, sondern Diagramme. Die Winzer*innen wissen also nur vage, wo sie stehen und wissen nicht, wohin sie müssen. Ohne konkrete Zielsetzungen können die Klimaziele nicht erreicht werden. Weshalb die Sinnhaftigkeit dieser Siegel zu hinterfragen ist, solange hier nicht nachgebessert wird. Hinzu kommt, dass sie auch den Konsumenten-Erwartungen nicht gerecht werden. Denn die meisten setzen nachhaltig gleich mit bio!

Falls Sie noch mehr zum Thema Nachhaltigkeit & Wein, finden Sie mehr in meiner PRÄSENTATION »Zukunft denken im Weinbau«.

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